Klaus Krupa - Leseproben Prosa

Biografie

Bibliografie

Leseproben Prosa

Leseproben Lyrik

Impressum

Bitte beachten Sie, dass das Copyright für alle Inhalte dieser Seite nach dem Urheberrecht bei Klaus Krupa liegt.

Daher ist die Benutzung dieser Dokumente nur zum privaten Gebrauch erlaubt. Eine Vervielfältigung der Dokumente zum Zwecke des Vertriebs (auch auszugsweise) ist nicht gestattet.

Im Folgenden finden Sie Leseproben aus seinen veröffentlichten Erzählungen und Roman:

 

Der Anfang der Erzählung "Rosa":

Rosa

Hier ist so eine Geschichte aus der "Alten Truhe". Ihr wißt doch noch, was es mit der "Alten Truhe" auf sich hatte, daß es sie wirklich gab, auf einem alten Elbschiff? Die Besitzer waren ein Ehepaar, Schiffersleute, waren viele Jahrzehnte auf der Elbe rauf und runter "geschippert". Die Frau hatte im Wohnbereich der Zille eine große alte Truhe, in die sie alles tat, was sie im Moment nicht mehr gebrauchte aber auch nicht wegwerfen wollte. Was sich da alles angesammelt hatte! Nicht aufzuzählen! Von einer alten Sammeltasse, über einen schönen Seidenschal zu alten, vergilbten Fotos und sogar den Brautschuhen und dem Brief, in dem stand, daß ihr Sohn in Jugoslawien gefallen sei, und...und. Ich werde euch nächstens noch von wundersamen Dingen daraus berichten. Als ich die Frau kennenlernte gebrauchte sie jedoch nur noch das Wort; denn die alte Truhe ist auf dem Schiff geblieben bei ihrer Tochter. Dieses Wort hatte Tante Baran - wie ich sie nennen durfte - mit an Land genommen. Wenn ich sie fragte, woher sie zum Beispiel den herrlichen kleinen Wandspiegel mit den Porzellanröschen als Rahmen her hatte, den sie mir zur Hochzeit schenken wollte, dann sagte sie: "Aus der `Alten Truhe`, und schon war alles aufgeklärt: Sie wollte in Wahrheit die Herkunft verschweigen Solch eine "Alte Truhe" besitze auch ich alter Mann seit vielen Jahren - in meinem Kopf. Dort habe ich die Geschichten hineingetan aus meiner Kinder- und Jugendzeit. Und wenn es mal zusammentrifft, daß euch und mir nach einer solchen Geschichte zumute ist, dann krame ich eine aus der unteren Ecke hervor.
Solch eine Geschichte ist also die von Rosa. Sie begann mit dem Einzug eines ganz kleinen Zirkus in unser Zweihundert-Seelen-Heidedorf im August 1948. Er nannte sich "Sarasonni", besaß statt eines Zeltes nur eine Reihe Kisten, die im Rund aufgestellt wurden und zwei wackelige Wohnwagen. In dem einen wohnten die Artisten: Mann, Frau und zwei Kinder in dem Alter von meinem Bruder und mir, also zwölf - dreizehn Jahre (die wir beneideten); in dem anderen waren die "Requisiten" untergebracht und die Tiere: Mäuse, ein paar dressierte Hühner, eine Meerkatze, ein Spitz, Tauben und ein kleiner schwarzer kesser Ziegenbock. Gezogen wurden die Wagen von je einem Pferd. Die Bauern, die sie sahen, bezeichneten sie geringschätzig als Klepper. Als der Zirkus ins Dorf einzog, trippelte hinter dem letzten Wagen ein Shetlandpony her. Ein Shetlandpony ist sehr klein, aber dieses war noch kleiner Das war für uns Kinder die Attraktion! Es war für uns geradezu unglaublich, daß es so kleine Pferde gab. Die Vorstellung war trotz der Erntezeit gelungen, es herrschte Fröhlichkeit, das halbe Dorf hatte sich auf dem Anger versammelt und nahm wie von einem kleinen Löffel Medizin auf und sie wirkte belebend, brachte die Mäuler in Bewegung und quirlte in der Phantasie der Kinder, die die Zauberkunststückchen, daß Tauben verschwanden und wieder auftauchten, daß der Spitz Handstand mit anschließendem Überschlag konnte, daß der Ziegenbock sich allein auf einer Wippe vergnügte, in dem er erst auf die eine, dann auf die andere Seite rannte, dann die Kartenkunststückchen, die die Großbauern ganz aus dem Häuschen brachten, da sie allesamt passionierte Kartenspieler waren und anderes nicht ganz verdauen konnten, bis wir selbst versuchten, unseren Hühnern oder Hunden ähnliche Kunststücke beizubringen...
Am anderen Tag war der Zirkus schon in aller Frühe verschwunden.
Wir wohnten in der unmittelbaren Nachbarschaft des Angers, auf dem der Zirkus agiert hatte in einem kleinen Haus mit einem Garten und vier Morgen Acker und einer noch einmal so großen Wiese dahinter in der Nähe des Angers. Als Vater früh um halb sechs Uhr sein Fahrrad aus dem Schuppen holen wollte, sah er auf der Wiese das Shetlandpony angepflockt. Vater war großzügig, wenn es sein mußte und dachte sich nichts weiter dabei und radelte los. Als er aber so ein paar hundert Meter in Richtung Stadt gefahren war, wo er in der Ziegelei arbeitete, da machte es bei ihm "Klick"; denn er hatte ja die Wohnwagen der Zirkusleute gar nicht mehr gesehen. Jedoch das Pflichtgefühl siegte, er dachte sich wohl, wenn er heimkehrte nach der Arbeit, würde sich alles geklärt haben. Aber nichts war geklärt. Das Pony war noch da und der Zirkus "Sarasonni" blieb verschwunden.
Vaters Liebe kam von sehr weit her, aber wen sie erreicht hatte, der konnte sich ihrer unverrückbar sicher sein. Er benötigte wenige Worte; seinem Blick, seiner Mimik, seiner kostbaren Ruhe war alles abzulesen. Er stand im etwas erhöhten Eingang des Hauses, schaute auf meinen Bruder und mich und auf das Pony zwischen uns. Und schwieg erst einmal. Wir zappelten vor Ungeduld. Warum war man als Kind so bedingungslos von den Entscheidungen der Erwachsenen abhängig? Er sagte: "Na gut.", und ging ins Haus...

zum Seitenanfang

 

Ein Auszug aus dem Roman
"Viertmanns absonderliches Sterben":

...
Ja, wohin wollten sie, warum marschierten sie ausgerechnet diesen Weg zum Damm in Richtung Camp der Bauleute? Ganz instinktiv, ohne Verabredung, in stiller Übereinkunft waren sie in Richtung ihrer Stelle, der Roßlache hinter dem Damm gegangen. Na klar doch! War doch eigentlich logisch, oder etwa nicht?
"Also nicht zum Camp der portugiesischen Bauarbeiter, sondern zu Ihrer sogenannten Oase wollten Sie?", fragte später in der Verhandlung der Anwalt der Nebenklage.
"Aber Sie wußten doch, daß dieser Platz mit den Weiden und dem kleinen Tümpel gar nicht mehr existierte. Dort befand sich jetzt ein Teil des Camps der portugiesischen Bauarbeiter, das hatten Sie doch schon an anderer Stelle geschildert", mischte sich der Staatsanwalt ein.
"Wir wären vorher abgebogen, denke ich mal, das Camp, die Kanaken dort haben uns überhaupt nicht interessiert", verteidigte sich Marcel.
Der Richter rügte ihn wegen des diskriminierenden Ausdrucks gegenüber ausländischen Bürgern, belegte ihn mit einer Geldstrafe und forderte ihn auf, ihren weiteren Weg und das folgende Geschehen zu schildern.
"Ich kann mich nicht mehr erinnern", erklärte Marcel. "Ich war zu besoffen."
Wieder rügte der Richter die Ausdrucksweise...

Damals trieb Marcel die Gruppe an: "Los weiter, und: Haut´se...immer in die Schnauze rin." Sie hörten nicht auf damit, es war keine noch so primitive Melodie mehr zu erkennen, es war zu einem marsch-rhythmischen Geschrei geworden.
Micha war erst im Laufschritt hinter den anderen her gerannt, kam sich aber vor Pia albern vor und forderte sie zum Warten auf.
Sie verließen die Gartenanlage, unangefochten, herausfordernd um sich blickend mit glasigen Augen und gingen noch ein ganzes Stück am Damm entlang in Richtung Durchstich.

Pia hatte ihnen nicht nachgeblickt. Aus und vorbei, wie schnell so etwas geht.
Um sie abzulenken forderte Oma Regina sie auf, ihre Arbeit zu beginnen. Dazu müßte Pia eine flache Hacke durch die Salatreihen ziehen oder sich tief bücken und kleine unnütze Pflanzen aus der Erde rupfen, die angeblich ein Unkraut, Nichtkraut waren. Sie schaute zu ihrer Großmutter hin und beobachtete ihr Gesicht. Sie wird nicht lange schweigen, dachte sie, es zerreißt sie förmlich.
Sie nahm das Gebrüll der Truppe um Micha auf einmal nicht mehr wahr. Eine erlösende Stille.
"Du träumst! Oder weinst du?", rief Oma Regina und setzte im sachlichen Ton hinzu: "Was mußt du auch so abweisend sein! Das hat kein Mann gern!" Pia fragte sie etwas genervt: "Was verstehst du davon?" Oma Regina, eine ansehnliche Mittfünfzigerin, war überhaupt nicht beleidigt, sie antwortete: "Ich hab nie etwas dazu gesagt, hab gesehen und gefühlt, hab mir gedacht, soll sie ihre Erfahrungen machen. Schlagen heute ein wenig über die Stränge, die Burschen. Das Beste ist dann: Nicht aufregen. Wer so herumschreit, ist harmlos. So etwas ist wie ein Stein in einem Schuh. Der Schuh paßt, aber der Stein reibt. Schüttest ihn einfach aus, weiter geht`s und morgen ist alles vergessen." "Ach Oma, wie du daherredest!", wunderte sich Pia. "Der Schuh paßt eben nicht!", setzte sie hinzu.
"Weißt du, mein Kind, ich hab es auch erfahren. Wer liebesfähig ist, ist auch fähig zu leiden. Also leid` ein wenig. Hilf mir noch, dann fahren wir nach Hause und machen uns einen schönen Abend."
Pia aber entschied diesmal für sich: "Für heute reicht es mir. Ich fahre jetzt nach Hause. Hier gibt es doch überhaupt nichts zu jäten!" Denn sie war nach wie vor in nicht ganz frei von Unruhe. Sie wollte Michael Bergner an diesem Tag nicht wieder begegnen, wenn er zurückkehrt. Eigentlich nie wieder begegnen, dachte sie gekränkt.
Sie überblickte den Garten, auf dessen Mittelweg sie stand und lächelte. Er war mit seinen schnurgeraden und gezirkelten Beeten, in dem es nichts Zufälliges gab und der in seiner Makellosigkeit geradezu schockierend wirkte, hier war "Unkraut" ein Fremdwort; schon das Keimblatt wurde getilgt, ein Spiegelbild der Großmutter. Was konnte man noch wissen, wenn man so geworden ist; dachte sie und wußte, daß sie ungerecht war. Wer liebesfähig ist, der ist auch fähig zu leiden! Ach Oma Regina, der kann nicht leiden! Und sie blickte über den Garten hinaus und lauschte.
Nichts war zu hören, und sie verließ die Anlage. Sie wollte gerade ihr Fahrrad besteigen, da kam ein Knirps mit einem Fahrrad angesaust, fuhr sie beinahe um, sprang neben Pia vom Rad und rief: "Da hinten ist vielleicht was los, da wollen welche einen Mann verdreschen! Komm mit!" Augenblicklich waren die vorhergehenden Erwägungen halb vergessen und sie folgte dem Jungen. Sie war sich sicher, daß sie, wie so oft, Michael, wenn er in Schwierigkeiten geraten war, zur Vernunft bringen kann, vielleicht auch diesmal. Sie befürchtete, wie sie bei der zweiten Vernehmung sagte, daß die "aufgeputschte, alkoholisierte Truppe" jemanden provoziert und daß dies schlimm enden könnte und war in ihren Gefühlen hin- und hergerisssen. Sie meinte sich hineingezogen in dieses Geschehen, weil sie in der Lage wäre, zu mindern oder zu verhindern. Sie rief in den Garten hinein und forderte noch ein Mädchen aus dem Nachbargarten auf, mitzukommen. Aber es schloß sich ihr niemand an. Der Spuk vor wenigen Minuten war eine schnell vergessene Episode.

Wenige Meter vor dem Durchstich, nach einer Biegung des Dammes, in unmittelbarer Nähe des ausgedienten Travohäuschens, standen sie plötzlich dem sichtlich erstaunten Matias gegenüber.
Und sie sahen sofort, daß es einer von den portugiesischen Bauarbeitern war, der wenige Schritte von ihnen entfernt stehengeblieben war.
"Ja, was haben wir denn da?", fragte Freund Blase mehr rhetorisch und versperrte, Paul Johannes am Arm haltend und aus der rechten Hand den Bierkasten auf die Erde vor die Füße des Portugiesen gleiten lassend, diesem den Weg.
...

 

Bearbeitungsstand: 15-04-2012 © 2003-2016 Klaus Krupa zum Seitenanfang